Das Integrationsgesetz von 2008 sieht einen Nationalen Aktionsplan (PAN)
Integration vor. Ein erster Fünfjahresplan lief 2013 aus. Das
Integrationsministerium startete die Vorbereitungsarbeiten für einen 2. Plan im
Herbst 2017, der Ministerrat nahm ihn am vergangenen 13. Juli an. Soviel zum
Engagement der “neuen” Regierung, deren Programm hinsichtlich Integration sich
durch äußerste Bescheidenheit auszeichnete. Jetzt haben wir den neuen PAN in
allerletzter Minute, sozusagen als Ei in das Nest der nächsten Regierung
gelegt, wobei er gewiss nützlich gewesen wäre in der sogenannten
Flüchtlingskrise 2015. Das Regierungsprogramm sah übrigens vor ein
Verteilungssystem der Asylbewerber auf die Gemeinden auszuloten. Auch hierzu schweigt
der PAN. Bemerkenswert ist auch die Diskretion, mit welcher der Plan über die
Bühne ging: keine offizielle Vorstellung, keine Zeile in der Presse und auch
keine Reaktion vonseiten der Zivilgesellschaft: als Auftakt des Sommerloches
ein ideales Datum! Seit letztem Herbst hat das interministerielle Komitee viele
Konsultationen geführt, von einem partizipativen Vorgehen kann aber keine Rede
sein und das definitive Dokument weicht kaum ab von der Vorlage zur
Konsultationsdebatte vom 15. März 2018 im Parlament.
Da gibt’s doch aber Inhalte!
Auf 20 Seiten wird der PAN dargelegt. Wer von Plan redet, erwartet eine
Bestandsaufnahme der jetzigen Situation sowie Ziele, Prioritäten und nicht
zuletzt Mittel. Was eine Situationsanalyse betrifft: Fehlanzeige! Kein Wort
über laufende Programme der Regierung wie PIA, national und EU geförderte
Projekte sind keines Wortes wert, die vielen Initiativen im Rahmen vom
“Mateneen”- Programm der Nationallotterie bleiben unerwähnt, wobei die
Schlussfolgerungen hätten nützlich sein können für zukünftiges Vorgehen.
16 Objektive werden vorgegeben. Integration wird angedacht für ungefähr pro
Jahr 2 000 Asylbewerber bis jährlich rund 20 000 Einwanderer, es ist Rede vom
Zugang zum Arbeitsmarkt bis Sprachenlernen über Wohnungen: ein allumfassender
Katalog. Greifen wir einige heraus. Das erste Objektiv betrifft besonders
schutzbedürftige Flüchtlinge welche zum Beispiel unter einem Trauma leiden. Hier das Regierungsprogramm
2013 diesbezüglich: « Un nouveau mécanisme d'identification obligatoire est prévu
afin d'assurer que les besoins spécifiques des demandeurs d'asile tombant dans la
catégorie des personnes vulnérables soient reconnus (..) et que ces personnes puissent
bénéficier d’un soutien adéquat pendant toute la procédure». 5 Jahre später
der PAN : «(..) développer et organiser le dépistage de personnes vulnérables et/ou
traumatisées ; évaluer les procédures et actions existantes de repérage et d’encadrement
des personnes vulnérables; Promouvoir la prise en compte des besoins spécifiques
des personnes vulnérables et de chaque genre». No comment! Dabei sind sich
die Experten einig, dass die Dauer der Prozedur die bestehenden Traumata noch
vergrößert. Leider erfahren wir nichts über den Willen der Autoren die
vorgeschriebenen 6 Monate effektiv einzuhalten bis zu einer Entscheidung ob
Asyl oder nicht.
Zu Schule und Spracherwerb finden wir nicht weniger als 20 Punkte,
Maßnahmen genannt. Nummer 7 möchte junge Nicht– Luxemburger ermutigen höhere
Studien anzugehen. Gute Idee, nur wartet man vergebens, wie das geschehen soll.
Bei 12 will man die Muttersprache aufwerten. Wessen Muttersprache und wie?
Punkt 19 will die Bibliotheken fördern und geht damit sogar weiter als der
Kulturentwicklungsplan, welcher hier keinen Handlungsbedarf feststellt. Aber
keine Angabe wie das bewerkstelligt werden soll.
Laut PAN
soll das Congé linguistique zum Erlernen des Luxemburgischen gefördert werden. Ein
Beispiel mehr wie nützlich hier eine Bestandsaufnahme wäre, um festzustellen in
welchem Ausmaß und von wem die Maßnahme genützt wird, ob sie gegebenenfalls
ausgebaut werden sollte. Zur Einschulung von Flüchtlingskindern hätte man sich
vorstellen können, dass das Prinzip der Nachbarschaftschule festgehalten würde.
Hier
scheinen sich die Verantwortlichen ein Hintertürchen offen zu halten um
Klassensäle in den Foyers einrichten zu können. Sieht nicht nach Integration
aus, oder ? Glücklicherweise bewirkt der gesunde Menschenverstand wie in beim Bürgermeister in Diekirch daß
diese Kinder mit allen Schülern zusammen lernen.
Simple Vorschläge wurden nicht zurückbehalten wie etwa die bestehenden
Kursleiter zu einem Erfahrungsaustausch zusammenzubringen oder ein
Internetportal zu schaffen welches alle Sprachkurse aufführt.
Zu Recht wird Gewicht darauf gelegt die Asylbewerber und später anerkannten
Flüchtlinge zu einem autonomen Leben in der Gesellschaft zu befähigen.
Diesbezüglich soll der PIA (Parcours d’Intégration Accompagné) umgesetzt und
ausgebaut werden, sowie kulturelle Aktivitäten gefördert werden. Ganz okay, nur
fehlt jegliche Erfahrungsbilanz des jetzigen PIAs sowie Maßnahmen wie er
ausgebaut werden soll. Leider bleibt der PAN auch stumm zu eigenem Kochen in
den Foyers und Kreditkarten, welche den Asylbewerbern ermöglichen würden selbst
einzukaufen und so u. a. soziale Kontakte zu knüpfen.
Promouvoir,
favoriser, développer sind Verben die immer wieder im PAN auftauchen. Keines
davon wird gebraucht zu einem im Gesetz vorgesehenen Mittel, nämlich eine
beratende Kommission der Bewohner um an dem Leben im Foyer teilzunehmen. Scheinbar
gibt es noch kein einziges entsprechendes Gremium.
Womit wir bei der Mitbestimmung im Allgemeinen angekommen wären. Das
desaströse Referendum von 2015 hat die Legitimationskluft nicht beseitigt und
scheint in diesem Gebiet sämtliche Initiativen zu lähmen. Dem PAN nach sollen
lokale (CCCI) und nationale (CNE) beratende Gremien Abhilfe schaffen. Die
Antworten auf die Abgeordnetenfragen 2805, 1834 und 3312 belegen das
bescheidene Abschneiden dieser Organe in den letzten Jahren. Ohne deren Kompetenzen
und Funktionieren zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern will der PAN
sie “unterstützen”und ihre Beteiligung an der Ausarbeitung der
Integrationspolitiken stärken. Pures Wunschdenken!
Und dennoch ist Rede von der wirklichen Beteiligung an den Gemeindewahlen.
Wer sich erwartet hatte hier Neues zu finden wird enttäuscht: die Ausnahmen
welche Luxemburg im Maastricht Vertrag “erstritten”hatte, dauern weiter an.
Keine Rede die Aufenthaltsdauer herabzusetzen wie das Parlament es fast
einstimmig am 27. Januar 2011 befürwortet hatte, geschweige denn sie ganz
abzuschaffen wie in Belgien. Das Status quo wird wohl kaum von den im Plan
vorgesehenen Einschreibungskampagnen berührt
werden und automatisches Einschreiben wie für die Luxemburger scheint ein anderes
Tabu zu sein!
Positiv zu vermerken ist das Beleben des im Gesetz vorgesehenen
interministeriellen Komitees, dem nicht weniger als 12 Ministerien angehören.
Hier wurde der PAN geboren. Dieses Organ – erweitert um die Zivilgesellschaft
wie in der Entwicklungspolitik - eignet sich vorzüglich als Schalt – und
Steuerungsstelle einer Integrationspolitik. Transparenz wie im erwähnten
anderen Bereich würde auch eine grösstmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung
sichern.
Welche Aktionen?
Ein Aktionsplan soll an und für sich Aktionen enthalten. Der vorliegende
PAN enthält diesbezüglich eine Menge Potenzial, leider nicht ausgedeutscht!
Prioritäten sollen zur anstehenden Ausschreibung für Projekte bereitstehen.
Auch liest man von Auswahlkriterien für die Projekte, findet sie aber ebenso
wenig wie die Prioritäten. Sollte Transparenz hier vorgesehen sein, bleibt so
manche Hausaufgabe zu erledigen. Welches auch immer die Aktionen sein werden
die den Weg vom Deklamatorischen herab aufs Terrain des Zusammenlebens finden,
die menschlichen und finanziellen Mittel hierzu müssen zur Verfügung gestellt
werden.
Bleibt ein großer Abwesender: dem Gesetz nach betrifft Integration Eingesessene
aller Nationalitäten sowie Asylbewerber und Einwanderer, man darf sich sogar
fragen, ob nicht auch Grenzgänger in einem gewissen Maß dazu gehören. Der vorliegende PAN scheint
nur die Newcomers zu kennen. Dazu der erste Punkt der Wahlprüfsteine des Ronnen
Desch: « La politique d’accueil et d’intégration doit commencer par une pédagogie
auprès des résidents (et des frontaliers). »
Will man
nicht heute fremdenfeindlichem Gedankengut und morgen offenem Rassismus das
Feld überlassen sowie Sozialneid gedeihen lassen, ist für alle Bürger Luxemburgs auf den Feldern der
Wohnungsnot, des Mindestlohns oder etwa der Hilfe für Jugendliche unter 25
Jahren welche vom REVIS ausgeschlossen sind dringender Handlungsbedarf : damit
es allen Menschen besser geht !
serge kollwelter
Aucun commentaire:
Enregistrer un commentaire